Eine Klimaschutz-Enquetekommission in Bremen?
Ja, genau! Die gibt es seit Anfang 2020 mit dem Auftrag, eine Klimaschutzstrategie für unser Bundesland zu entwickeln. Aber wer verbirgt sich eigentlich hinter diesem Gremium? Wozu ist es gut und was haben seine Mitglieder bislang erreicht? Wir geben eine Übersicht.
Eingesetzt wurde die Enquetekommission von der Bremischen Bürgerschaft. Neun Politikerinnen aller Fraktionen und neun Sachverständige aus ganz Deutschland sollen untersuchen, wie künftig mehr Klimaschutz in Bremen und Bremerhaven umgesetzt werden könnte. An den regelmäßigen Sitzungen nehmen darüber hinaus auch zahlreiche Gäste teil – darunter Vertreterinnen der Handwerks- und Handelskammern, der Umweltverbände BUND und NABU sowie der Fridays for Future Organisationen in Hanse- und Seestadt. Sie alle sind daran beteiligt, konkrete Vorschläge dazu zu erarbeiten, wie das Land Bremen seine Emissionen im Einklang mit dem Pariser Klimaschutzabkommen bis 2030 reduzieren kann. So soll sichergestellt werden, dass neben politischen und wirtschaftlichen verstärkt auch andere Interessen berücksichtigt werden und verschiedene Sichtweisen Eingang finden.
„Wir wollen uns dem Ziel der Klimaneutralität durch Maßnahmen nähern, deren Umsetzung vor allem das Land selbst in der Hand hat oder aber auf Bundes- und EU-Ebene für den Erfolg in Bremen zwingend notwendig ist, die möglichst alle Menschen mitnehmen und deren Nutzen sowie einhergehende Lasten sozial gerecht verteilt beziehungsweise getragen werden“, sagt Martin Michalik (CDU), Vorsitzender der Kommission.
Blick in die Zukunft
Was muss nun passieren? Einiges! Das zeigt auch der Zwischenbericht der Enquete: In diesem präsentieren die sechs Arbeitsgruppen erste Ergebnisse und geben Handlungsempfehlungen für verschiedene Sektoren. Im Bereich Energie und Abfallwirtschaft ist zum Beispiel vorgesehen, bis 2023 den Kohleausstieg zu schaffen. Dies setzt allerdings voraus, dass das übergangsweise geplante Gas-Blockheizkraftwerk (BHKW) von swb in Hastedt auf Wasserstoff ausgerichtet gebaut und fertiggestellt wird. Ebenfalls beabsichtigt ist der Ausbau erneuerbarer Energien. Laut Expertinnenaussagen könnten Wind- und Solaranlagen so bis 2030 rund 20 Prozent des verbrauchten Stroms im Land Bremen erzeugen. Ein weiterer Kernpunkt der Kommission ist grüner Wasserstoff als Zukunftsoption. Er soll vor allem zur Energieversorgung des Stahlwerks in Bremen, aber auch für weitere Industriezweige genutzt werden und darüber hinaus als Treibstoffersatz für Schiffe, Flugzeuge und Nutzfahrzeuge dienen.
Beim Betrachten der lokalen Industrie und Wirtschaft ist vor allem deutlich geworden: Das bereits erwähnte Stahlwerk ist der größte Verursacher von Treibhausgasen im Land. Während es einen Technologiewandel in fast allen Produktionsprozessen braucht, müssen andere Unternehmen aus dem verarbeitenden Gewerbe weiterhin auf mehr Energieeffizienz, Elektrifizierung und erneuerbare Energien in bestehenden Abläufen hinwirken. Die 24 Gewerbegebiete in beiden Städten – auch das wird im Bericht gefordert – sollen noch stärker Aspekte des Klimaschutzes ins tägliche Geschehen vor Ort einbinden. Als Beispiel für eine nachhaltige Ausrichtung wird das Bremerhavener Gewerbegebiet Luneplate genannt, dessen Bau 2022 beginnt.
Auch in den Bereichen Gebäude, Wohnen und Stadtentwicklung müssen nach Auswertung der Gremiumsmitglieder weitere Klimamaßnahmen erfolgen. Dabei käme öffentlichen Immobilien eine Vorbildfunktion zu. Bis spätestens 2035 sollen die 1.600 Gebäude in Bremer Hand energetisch saniert sein. Daneben setzt man auf Wohnungsbaugesellschaften und -genossenschaften, die ihrerseits die Wärmeversorgung umstellen und Solardächer sowie -wände installieren. Für private Eigentümerinnen gelte es, entsprechende Förderprogramme ins Leben zu rufen.
Mobilität und Verkehr werden nach Einschätzung der Expertinnen über einen erweiterten Verbund aus Rad-, Fuß- und öffentlichem Personennahverkehr sowie Sharing-Angeboten nachhaltiger. Weitere Vorschläge der Kommission sind, die Lade- und Betankungsstrukturen für CO2-freie Fahrzeuge zu fördern, Schnellbus- und Schienenverbindungen für Pendler:innen einzurichten sowie elektrische Lastenräder für den Lieferverkehr einzusetzen.
Die Klimabildung und Wissenschaft hierzulande standen ebenfalls auf dem Prüfstand. In Kitas, Schulen, Hochschulen sowie in der Aus- und Weiterbildung ist Klimaschutz schon Thema. Dennoch gelte es, Lehrpläne sowie Angeboten diesbezüglich zu ergänzen. „Wer früh auf die Folgen des Klimawandels hingewiesen wird, trägt mit größerer Wahrscheinlichkeit dazu bei, ihm entgegenzuwirken“, betont Martin Michalik. Hinsichtlich von Konsum und Ernährung wurden die Devises „anders konsumieren“ und „Weniger ist mehr“ ausgerufen. So soll nicht nur nachhaltiger konsumiert, sondern auch weniger verbraucht werden. Das Gremium setzt sich dafür ein, dass entsprechende Produkte und Dienstleistungen bezahlbar sind und es Tausch- und Leihangebote gibt, damit Dinge länger genutzt werden und weniger gekauft wird.
Ein Fazit: Klimaschutz = Lebensqualität
„Was uns deutlich geworden ist: Bremen und Bremerhaven bieten großes Potential, sich als bundesweite Vorreiter-Städte für klimafreundliche Transformation zu profilieren“, fasst Martin Michalik zusammen. Erfolgreiche Klimapolitik sei aber nur möglich, wenn die Bürger*innen mitmachen: „Wir müssen deshalb dafür sorgen, dass notwendige Veränderungen für nachhaltigere, klimafreundlichere Lebensstile nicht als ein Verlust, sondern im Gegenteil als ein Gewinn an Lebensqualität erfahren werden!“ Welche Maßnahmen nun tatsächlich wann und wie umgesetzt werden sollen, beschließt die Enquetekommission mit einem Abschlussbericht im Dezember.